random thoughts on feminism

Das hier wird ein wahrscheinlich total zusammenhangloser Blogpost. Bitte ergänzt meine Gedanken gern in den Kommentaren.

Ich habe Feminismus als Teenager für historisch spannend, aber nicht mehr für nötig gehalten. Ich bin ein Ossikind, das Konzept "Hausfrau und Mutter" kannte ich gar nicht. Ich fand starke Frauen, die um gleiche Rechte für Frauen kämpften, supertoll. So wie ich den Gehrock des 19. Jahrhunderts supertoll finde. Männer sollten sowas immer noch tragen, und Frauen natürlich auch, so sie wollen. Aber aktuell war das doch nicht mehr in den 90er Jahren.

(Übrigens hat der Bundestag erst 1997, als ich 16 Jahre alt war, das Recht auf ungestrafte Vergewaltigung in der Ehe abgeschafft. Ich war damals beschämend unpolitisch und hatte keine Ahnung davon, ich wollte immer nur dirigieren. Einige der Politiker, die gegen die Abschaffung des Paragraphen waren, sind übrigens immer noch politisch aktiv.)

Dann wurde ich erwachsen.

An einer Musikhochschule konnte man mich schon in der Aufnahmeprüfung nicht fassen: "Eine Frau? Zum Dirigieren?!" Ich dachte lange Zeit, es läge am Beruf. Klar hat schon Anfang des 20. Jahrhunderts die eine oder andere Frau dirigiert, aber auch ich kam in Wien in die Klasse eines Professors, der Studentinnen nur aufgrund des Drucks der Gleichstellungsbeauftragten aufnahm, und als er mich nach 2 Jahren (!) das erste Mal dirigieren sah, aus vollem Herzen sagte: "Frau Höing, Ihr Schlagbild ist ästhetisch einwandfrei - schade, daß Sie eine Frau sind! Der nächste bitte."

Ohne jetzt eine feministische Brandschrift (oder Autobiographie?) schreiben zu wollen, was durchaus möglich wäre, möchte ich einen Sprung 20 Jahre nach vorne zu einer aktuellen Erkenntnis machen.

Während der Proteste um den Erhalt des Hambacher Forstes fiel mir zum ersten Mal sehr deutlich auf, wie unglaublich viele Frauen da protestierten, und speziell bei einer der Protestierenden hat mich sehr beeindruckt, was sie, von zwei völlig vermummten Polizisten flankiert, unter Tränen sagte: Hier drin stehen wir für etwas. Draußen steht nur ein Konzern.


Das, was sie vorher sagt, finde ich aber bemerkenswert. In ihrer Zeit im Hambacher Forst hat sie verlernt, was die Gesellschaft ihr beigebracht hat. Das dauernde sich-miteinander-Vergleichen. Das nie-genug-sein, die beinahe krankhafte Wettbewerbsmentalität. Sie wurde "als Wesen" angenommen.

Als Wesen. Ich finde das so wunderschön formuliert. Nicht "als Frau". Als Frau müßte sie ja gleich wieder diverse Schubladen bedienen. Sie müßte rosa statt schwarz tragen, sich schminken statt ein Tuch gegen den Wind um den Kopf zu wickeln, sie müßte Shopping statt Umweltschutz betreiben.

Sie ist aber nicht nur ihre Chromosomen und Geschlechtsmerkmale, sie ist nicht nur ein Klischee, sie ist ein Wesen. Und ich wünschte mir SO SEHR, wir könnten uns alle endlich gegenseitig als Wesen betrachten!

Ich kenne Männer, die sich schminken. Ich kenne Männer, die lange, lackierte Fingernägel tragen. Es gibt eine regelrechte Bewegung von Männern, die Röcke tragen wollen, weil sie es einfach viel bequemer finden.

Und nu? Sind diese Männer weniger männlich?

Ich kenne Frauen, die sich täglich mit viel Vergnügen aufdonnern wie für die Hauptrolle eines Kleopatrafilms, und ich kenne mich, jemanden, der am liebsten immer nur Schlabberpullis und feste Schuhe zu bequemen Cordhosen tragen würde, und dann kenne ich Frauen, die von Kopf bis Fuß tätowiert, gepierct und schwarz gefärbt sind.

Und nu? Sind die durchtätowierten weniger weiblich? Ist die stark geschminkte gleich ein Flittchen? Lasse ich in meinem Schlabberpulli mich gehen?

Es gibt Frauen und Männer, die beim Anblick eines anderen Menschen abfällig lächeln, aber ganz ehrlich Leute: das sind Menschen, die selbst so wenig Rückgrat und Vertrauen in ihr eigenes Wesen haben, daß sie es nötig haben, einen anderen zu verlachen.

Als ich 13 war, fragte mich eine meiner Schwestern angesichts meiner überweiten Kleidung und des ungeschminkten Gesichts, ob es denn niemanden gebe, für den ich wenigstens ein bißchen hübsch aussehen wolle. NEIN. Es gibt niemanden, für den ich wenigstens ein bißchen hübsch aussehen will. Ich finde außerdem ALLES an der Frage total falsch.
Es ist nicht meine Aufgabe, für jemand anderen irgendwie auszusehen.
Es ist nicht Deine Aufgabe, "hübsch" für mich zu definieren.
Hübschsein, auch nach meiner eigenen Definition, wird überbewertet und ist ungleich sich-wohlfühlen.
Ich kleide mich nicht, wie ich es tue, weil ich es nicht besser weiß. Auch nicht mit 13. Ich kleide mich auf eine bestimmte Art, weil ich es gerade so brauche, weil es mir hilft, ich zu sein und mich wohl und sicher zu fühlen. DU, wer immer Du bist, der Du über anderer Leute Stil lachst, hast mit deren Entscheidungen nichts, aber auch gar nichts zu tun, und es geht Dich absolut nichts an.

Aber zurück zu meiner Hambi-Erkenntnis. Ich habe, nachdem mir die vielen Frauen dort aufgefallen sind, mal bewußter hingesehen, was bei anderen Demos passiert. Ich habe auf Twitter Naziaufmärsche in Sachsen gesehen. Fast nur Männer. Je mehr körperliche Gewalt im Spiel war ("wir werden Euch jagen"), desto weniger Frauen.

Ich sehe mit Begeisterung #FridaysForFuture zu, gestartet von einer damals noch 15jährigen Schwedin, inzwischen streiken Kinder und Jugendliche weltweit - das Geschlechterverhältnis ist übrigens scheinbar recht ausgeglichen, das finde ich sehr toll.

Berlin

München

Freiburg

Ich sehe die Proteste für die Abschaffung des Paragraphen 219a, die überwiegend von Frauen geführt werden. (Etwas zynisch könnte man sagen: Logisch, wann interessieren sich Männer schon für Verhütung oder dafür, daß Frauen selbst über ihren Körper bestimmen können?)

Und ich sehe den Mann, der es nach eigener Aussage als sein Hobby betrachtet, Ärzte zu verklagen, unter anderem Kristina Hänel, die auf ihrer Homepage darüber informiert, daß sie Abtreibungen durchführt. Nicht, wie. Nicht "diesen Monat Sonderangebot: Zwei zum Preis von einer". Nur, daß. Und dennoch gilt die schlichte Information als Werbung, und ein Student namens Yannic Hendricks maßt sich an, bei diesem Thema erstens überhaupt mitreden zu dürfen und wollte das zweitens in seiner Feigheit auch noch anonym tun.
Schön, daß das Landgericht Düsseldorf da anderer Meinung ist.

Was es mit Abtreibungswerbung wirklich auf sich hat, ist in diesem Artikel zu lesen.
(Ich lese übrigens regelmäßig den Blog von Pinkstinks und weiß oft nicht, ob ich lachen oder weinen soll.)

Also zusammengefaßt und stark vereinfacht habe ich den Eindruck, daß Männer oft gegen und Frauen für etwas eintreten. Daß Männer Dinge beschützen wollen und Frauen Lebensraum. Daß Männer für Wirtschaft stehen und Frauen für soziale Prozesse. Ich kenne natürlich viele Menschen, auf die diese starke Vereinfachung nicht zutrifft, allen voran mein Mann, mein Bruder, einige Freunde.

Aber genauso kenne ich Leute, die, ohne es selbst zu merken, Geschlechterklischees weiterleben, gegen die sie sich, bewußt darauf angesprochen, absolut verwahren würden.

Ich sehe auch Aufnahmen von diversen Demos, auf denen das Bild sich wieder und wieder bestätigt - und dabei würde ich selbst vehement bestreiten, daß Männer nunmal von Natur aus blabla sind und Frauen blabla. Dieses "von Natur aus" beginnt viel zu oft mit jungen Eltern, die das Babyzimmer schon in der "richtigen" Farbe streichen, sobald sie das Geschlecht des zu erwartenden Säuglings erfahren; mit Omas und Verkäuferinnen, die Kleinkindern Spielzeuge wieder aus der Hand nehmen, weil Autos ja nur für Jungs oder Puppen ja nur für Mädchen seien; mit Erzieherinnen, die nervtötende Mädchen als Zicke und nervtötende Jungs als kleinen Racker bezeichnen.

Gerade jetzt in der Karnevalszeit kann man die Frauen- und Mädchenkostüme kaum glauben, die derartig sexualisiert daherkommen, daß es einem graust. Auch hierzu möchte ich gerne einen kurzen Artikel von Pinkstinks empfehlen: Sexy Päpstin trifft sexy Fake News.

Also, nach diesem doch etwas wirren Durcheinander meiner Gedanken hätte ich wirklich sehr gern Eure Meinung dazu.



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