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Ich, beim Arzt, das ist eigentlich immer irgendwie skurril-witzig. Schon allein, weil ich vegan esse. Aber manchmal ist es noch skurriler und witziger.

Seit 2 Monaten habe ich starke Schmerzen in der rechten Hand, vor allem nachts und morgens. Ich kann die Finger nicht gut beugen, nicht einmal eine Wasserflasche aufschrauben, alles blöder Mist. Im Laufe des Tages verflüchtigt sich das weitgehend, aber dennoch wollte ich etwas dagegen unternehmen.

Ich gehe zum Orthopäden, warte 3 Stunden (kein Termin), werde schließlich ins Untersuchungszimmer gerufen und nach 20 Sekunden Erklärung der Symptome mit einer Packung Ibu800 beschenkt. "Äh", sage ich, "und das bekämpft die Ursache?" - "Ich habe keine Ahnung, was die Ursache ist", sagt der Orthopäde entwaffnend ehrlich, "aber vielleicht hilft's ja. Ansonsten gehen Sie halt zum Neurologen."

Ich versuche es mit den Ibus. Die Schmerzen werden stärker. Ich sage 4 Konzerte ab, bei denen ich hätte Klavier spielen sollen, und ärgere mich mächtig. Dann gehe ich zum Neurologen - zum Glück für mich kennt jemand jemanden, der kurzfristig einen Termin für mich macht und eigentlich nur Musiker behandelt.
Er läßt mich in Ruhe erklären, dann dreht und drückt und schiebt er meine Arme in diverse Himmelsrichtungen, dann guckt er sich mein Handgelenk im Ultraschall an und juchzt regelrecht freudig, als er sagt: "Seeehr schöne Hände, wirklich seeeehr schöne Hände haben Sie! Kein Karpaltunnelsyndrom, im Gegenteil, die sehen aus wie gemalt! Und so gute Muskeln vom vielen Üben!"Dann erklärt er, ich sei insgesamt übermäßig schmerzempfindlich und verschreibt mir ein Neuroleptikum, das angeblich nach 10 Tagen wirken soll, indem es die Empfindlichkeit senkt; außerdem sagt er, ich solle mal vom Hausarzt Blut abnehmen und es auf rheumatische Faktoren untersuchen lassen.

Nach drei Wochen gebe ich auf und setze das Zeug wieder ab. Es hat mich dauermüde gemacht, emotional habe ich mich wie ein Wattebausch gefühlt und ich hatte permanent einen enormen Durst. An einem Dienstag in Braunschweig habe ich 3 Liter während der Probe getrunken und hatte immer noch das Gefühl, jemand hätte einen toten Hamster auf meiner Zunge abgelegt. Gut unterrichten und proben ist verdammt schwer, wenn man eine viel zu trockene Zunge kaum benutzen kann. Und die Hand? Unverändert.

Ich gehe zum Hausarzt. Damit das Blutabnehmen nichts kostet, entscheidet die Arzthelferin, mit mir gleich einen Ü-35-Check zu machen. (Ich fühle mich schrecklich dabei, weil es mich in so eine Altersscchublade steckt und weil an meinem inneren Horizont schon drohend die regelmäßige Darmkrebsvorsorge auftaucht.)
Sie komplimentiert mich auf eine Liege, auf der ich es mir halbfrei bequem machen soll, und klebt mir ein paar Saugnäpfe an den Körper. Offenbar gehört ein EKG bei uns alten Leuten standardmäßig dazu - ist ja auch besser, wenn man rechtzeitig gewarnt wird, daß es bald vorbei ist, damit man den Hund noch im Testament bedenken kann und dergleichen.

Ich bitte darum, daß bei den Blutwerten auch nach Vitaminen geschaut wird, da ich als Veganer ja B12 supplementiere. Der Arzt sieht das anders: "Also wenn Ihnen irgendwas nicht fehlen dürfte bei Ihrer Ernährung, dann sind das doch Vitamine!" Klasse, denke ich, mal ein Arzt ohne Vorurteile. "Ich würde eher davon ausgehen, daß Ihnen Eisen fehlt!" fährt er fort und ich revidiere meinen letzten Gedanken.

Als ich zur Auswertung 2 Tage später im Sprechzimmer sitze, sieht er mich ernst an.
"Machen Sie Ausdauersport?" fragt er. Ich zögere nur ganz kurz (Videospiele zählen vermutlich nicht), bevor ich den Kopf schüttle.
"Erstaunlich", meint er. "Sie haben einen total konstanten, starken Ruhepuls von 49. Sowas haben sonst nur Radsportler." Ich zucke mit den Schultern.

Dann sieht er mich noch ernster an.
"Und", frage ich extrafröhlich, "Im Blut alles in Ordnung?"
Er schüttelt den Kopf. "Nein, es ist durchaus nicht alles in Ordnung."

Ich gucke wohl ein bißchen erschrocken...


...jedenfalls setzt er gleich hinterher, es sei auch nichts Schlimmes, ich hätte kein Rheuma, aaaaaber - TADAAAA - er habe Recht gehabt, es sei so wie er befürchtet habe, ich hätte einen Eisenmangel! Ha!

Ich denke "Whaaat?!" Dann druckt er mir die Ergebnisse aus und markiert meinen eklatanten Eisenmangel mit einem orangen Textmarker.

43, steht da. Bei einem Mindestwert von 45.

"Dreiundvierzig, Alter, drei-und-vierzig?!" will ich rufen, aber ich mag meinen Arzt, deshalb nehme ich einfach die Liste entgegen



danke dem Arzt für das Rezept über ein Eisenpräparat und verspreche artig, es zu nehmen,


verlasse die Praxis, steige ins Auto und beginne laut zu lachen.

Bevor ich Veganer wurde, lag mein Eisenwert zwischen 6 und 8. Anders ausgedrückt: Mir geht's fantastisch, alles richtig gemacht.


Und meine Hand? ... Reden wir einfach nicht mehr drüber, vielleicht geht's ja davon weg.

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